Reformstart
Die neue Gesetzgebung gilt seit dem 01.04.2017. Den finalen Gesetzesentwurf zur AÜG-Reform verabschiedete das Bundeskabinett am 01.06.2016. Im Zuge des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens wurden die Neuerungen am 21.10.2016 vom Bundestag und am 25.11.2016 vom Bundesrat verabschiedet.
Trotz der Veröffentlichung der „Fachlichen Weisungen Arbeitnehmerüberlassung“ der Bundesagentur für Arbeit am 20.03.2017 können bis heute nicht alle Fragen in der praktischen Umsetzung beantwortet werden.
Die hohn group orientiert sich an der Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit, da sie als Erlaubnis- und Prüfbehörde für die Einhaltung des Gesetzes zuständig ist.
Die wichtigsten Neuerungen durch die AÜG-Reform haben wir hier für Sie zusammengestellt:
1. Fristenberechnung
Die neuen Berechnungen gelten ab dem Stichtag, dem 01.04.2017. Seither wird zur Fristenberechnung zwischen vollen Monaten und Teilmonaten unterschieden – je nach dem, ob der Zeitarbeitnehmer ununterbrochen oder nur teilweise überlassen wurde. Bei Unterbrechungen von mehr als drei Monaten beginnt bei Rückkehr des Zeitarbeitnehmers zum vormaligen Entleiher die Überlassungsdauer wieder von vorne (Nullstellung). Bei einer Unterbrechungsdauer von drei Monaten oder weniger werden die vorherigen Überlassungszeiten des Zeitarbeitnehmers bei der Rückkehr zum vormaligen Entleiher addiert. Die Unterbrechungszeit wird hier aber nicht angerechnet.
2. Höchstüberlassungdsauer von 18 aufeinander folgenden Monaten
Die AÜG-Reform definiert die maximale Überlassungsdauer auf 18 aufeinanderfolgende Monate. Alle Überlassungszeiten, die vor dem 01.04.2017 angetreten wurden, fallen nicht unter die Reform und können von höherer Dauer sein. Die Frist von 18 Monaten ist somit frühestens am 01.10.2018 abgelaufen.
Nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer muss die Unterbrechungszeit bei demselben Entleiher mindestens 3 Monate und 1 Tag betragen, damit der gleiche Zeitarbeitnehmer wieder zum Einsatz kommen darf. Zur Überbrückung der Unterbrechungszeit kann der Zeitarbeitnehmer in einer Schwester-, Mutter- oder Tochtergesellschaft des Entleihers arbeiten. Ausschlaggebend ist lediglich, dass sich die Firmierung dieser Gesellschaft von der des Entleihers unterscheidet. Die Höchstüberlassungsdauer beginnt in der Schwester-, Mutter- oder Tochtergesellschaft wieder bei null.
Die Höchstüberlassungsdauer kann nur dann verkürzt oder verlängert werden, wenn in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine Abweichung festgelegt wurde. Tarifgebundene Betriebe können in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder in einer Betriebsvereinbarung die Änderung der Höchstdauer festlegen. Letzteres ist allerdings nur im Fall einer Öffnungsklausel im Tarifvertrag der Einsatzbranche möglich. Tarifungebundenen Betrieben ist es lediglich mit Betriebsvereinbarung des Betriebsrates möglich, die Höchstüberlassungsdauer zu ändern. Die abweichende Überlassungsdauer darf maximal 24 Monate betragen, wenn der Tarifvertrag der Einsatzbranche eine Öffnungsklausel enthält. 24 Monate dürfen überschritten werden, wenn dies in der Öffnungsklausel explizit formuliert wird.
Die Einsatzbranche der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg hat am 01.03.2017 den „Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit“ (kurz: TV LeiZ) verabschiedet. Dieser schreibt für tarifgebundene Entleiher, die keine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Zeitarbeitnehmern haben, eine abweichende Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten vor. Nach 18 Monaten muss nach TV LeiZ aber geprüft werden, ob ein Übernahmeangebot für den Zeitarbeitnehmer erstellt werden kann. Nach 24 Monaten muss das Übernahmeangebot zwingend vorgelegt werden. Die Frist von 48 Monaten darf nur dann ausgeschöpft werden, wenn der Zeitarbeitnehmer das Übernahmeangebot ablehnt.
3. Equal Pay nach 9 Monaten ununterbrochener Einsatzdauer
Jedem Zeitarbeitnehmer muss nach einer ununterbrochenen Einsatzdauer von 9 Monaten Equal Pay gezahlt werden. Aktuell gibt es weder im Gesetz noch in den „Fachlichen Weisungen Arbeitnehmerüberlassung“ eine genaue Definition von Equal Pay. Maßgeblich sollten für die Berechnung des gleichen Arbeitsentgelts aber sämtliche Bruttovergütungsbestandteile der Lohnabrechnung des vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers sein. Dazu zählen Grundvergütung, Zulagen, Sonderzahlungen, Arbeitgeberzuschüsse, Sachbezüge. Nicht berücksichtigt werden Aufwandsersatz wie Fahrtkosten und VMA etc.
Bei Unternehmen mit Branchenzuschlagstarif sind größere Abweichungen möglich. Hier ist vorgesehen, dass Equal Pay erst nach 15 Monaten ununterbrochener Überlassungsdauer bezahlt werden muss. Die Branchenzuschlagstarifverträge müssen dazu jedoch zukünftig erst noch neu verhandelt werden.
Einzig in der Metall- und Elektroindustrie wurden bereits erste Anpassungen im neuen Branchenzuschlagstarifverträge (TV BZ ME) vorgenommen: Seit 01.01.2018 muss laut diesem Vertrag ab dem 16. Monat der Überlassungsdauer eine 6. Branchenzuschlagsstufe in Höhe von 65 % eingeführt werden. Der Branchenzuschlag kann ab diesem Zeitpunkt lediglich auf das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers beschränkt werden. Zum Arbeitsentgelt zählen dann auch Bestandteile, die über den schlichten Stundenlohn hinausgehen, wie beispielsweise Zuschläge, Sachleistungen, Jahressonderzahlungen etc.). Bis zum Ende des 15. Einsatzmonats kann weiterhin gedeckelt werden (–10 %). Weitere Branchen könnten dem Vorbild der Metall- und Elektroindustrie folgen und ebenfalls Branchenzuschlagstarifverträge verabschieden.
Wie bei der Höchstüberlassungsdauer gilt auch bezüglich des Equal Pay eine Unterbrechungszeit bei demselben Entleiher von mindestens 3 Monate und 1 Tag, um die Einsatzdauer wieder auf null zu setzen.
4. Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten
Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher muss eindeutig als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) gekennzeichnet werden. Dieser muss stets schriftlich und vor Beginn des Einsatzes unterschrieben vorliegen.
5. Verschärfung im Dienst- und Werkvertragsrecht
Verträge, die als Werk- oder Dienstverträge gekennzeichnet sind, müssen in der Praxis zweifelsfrei als solche umgesetzt werden. Die Person des Leiharbeiters muss im Vertrag namentlich genannt werden, was die sogenannte Fallschirmlösung außer Kraft setzt. Seit dem Stichtag der AÜG-Reform ist es nicht mehr möglich, sich auf Vorratsarbeitnehmerüberlassungserlaubnisse zu berufen, wenn sich ein als Dienst- oder Werkvertrag deklarierter Einsatz als Arbeitnehmerüberlassung entpuppt. Der Vertrag zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer muss ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung deklariert werden. Stimmt der Zeitarbeitnehmer innerhalb eines Monats schriftlich zu, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten möchte, so bleibt dieser wirksam (Festhaltenserklärung). Ist dies nicht der Fall, so wird aufgrund der Unwirksamkeit automatisch ein neues Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Entleiher geschlossen.
6. Arbeitskampf
Der Entleiher darf keine Zeitarbeitnehmer in einem Betrieb tätig werden lassen, der unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist. Damit wird das Streikbrecher-Verbot an den Entleiher gerichtet. Zeitarbeitspersonal darf an betroffenen Tagen nur dann eingesetzt werden, wenn keine bestreikten Aufgaben ausgeführt werden.
7. Betriebsverfassungsgesetz
Seit Inkrafttreten der AÜG-Reform sind bei Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes (Ausnahme: § 112a BetrVG: Erzwingbarer Sozialplan) Zeitarbeitnehmer beim Entleiher mitzuzählen. Beispielsweise müssen sie bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrates beachtet werden. Dauert ein Einsatz länger an als 6 Monate, müssen Zeitarbeitnehmer auch bei anderen Mitbestimmungsgesetzen berücksichtigt werden.
Der Betriebsrat muss außerdem über jeden Einsatz von Zeitarbeitspersonal und alle dazugehörigen Informationen benachrichtigt werden.
Seit dem Stichtag 01.04.2017 werden Verstöße gegen die oben genannten Regelungen sowohl für den Entleiher als auch für das Zeitarbeitsunternehmen mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld geahndet.
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